„Länger arbeiten!“ – derzeit in Frankreich ein rotes Tuch. Während es bei uns in der Bundesrepublik bereits in der Umsetzung ist, das Rentenalter von 65 schrittweise auf 67 Jahre anzuheben, bricht aktuell in Frankreich das Chaos aus. Dort soll der Ausstieg aus dem Berufsleben vom 62. Lebensjahr auf das Alter von 64 steigen. Dabei ist es – aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung – nur vernünftig, den Zeitpunkt der Rente neu zu justieren und länger zu arbeiten. Ansonsten wird die künftige Versorgung aller Personen im Ruhestand die Belastbarkeit des Rentensystems schnell übersteigen.
Der aktuelle Stand der Lebenserwartung in Deutschland
Während weltweit die Lebenserwartung im Jahre 1950 bei 48 Jahre lag, hatten sich die Verhältnisse in Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits stark gebessert. Die Lebenserwartung lag damals – über alle Geschlechter hinweg – bei ca. 66 Jahren. Diese stieg in Laufe letzten Dekaden weiterhin stark an:

Welche Ursachen hat das steigende Lebensalter?
Die zentrale Ursache für diesen Anstieg besteht darin, dass sich die individuellen Lebensverhältnisse verbessert haben. Dazu kommt der große Fortschritt in der Gesundheitsversorgung in den letzten Jahrzehnten. Wohlstand und geregelte Arbeitsverhältnisse wirkten sich auf die Gesundheit der Bevölkerung sehr positiv aus.
In meiner Jugend war eine 70- / 75 -jährige Person aus meiner damaligen Perspektive schon sehr alt – doch diese Sicht auf das Alter hat sich stark verändert.
Es ist eine zusätzliche Lebensphase entstanden. Wurden in früheren Zeiten drei Lebensphasen unterschieden, nämlich Kindheit/Jugend – Erwerbsleben – Alter, so etablierte sich inzwischen eine vierte Etappe.
Zwischen Erwerbsleben und Alter ist eine neue Lebensphase entstanden: der „aktive Ruhestand“. Begründet ist dies u.a. darin, dass die gesundheitliche Konstitution beim Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im Vergleich zu früher i.d.R. bedeutend besser ist.
Der aktive Ruhestand – was bedeutet das für die Wirtschaft?
Auch hat sich der Arbeitsmarkt stark geändert. In den 90-er Jahren gab es Situationen, in denen man mit Mitte 50 mit bestimmten Vorruhestandsregelungen aus dem Berufsleben ausscheiden konnte. (Diese Situation hat Herb Stumpf: „Ausstieg mit Mitte 50: Frühpensionierung als Chance zum Neubeginn“ Kösel, 2004 in lesenswerter Weise beschrieben). Der Arbeitsmarkt war übervoll und Arbeitssuchende hatten es schwer, eine geeignete Anstellung zu finden.
Das hat sich grundlegend geändert:
- Gehen doch derzeit die sog. Baby-Boomer-Jahrgänge in den Ruhestand und hinterlassen viele unbesetzte Arbeitsplätze.
- Darüber hinaus stehen für den Arbeitsmarkt durch die Geburtenrückgänge der letzten Jahre weniger Bewerber zur Verfügung.
- Die Konsequenz ist, dass früher großzügig ausgestattete Vorruhestands- und Abfindungsregelungen, die Angestellte in den 90-er und 00-er Jahren gerne in Anspruch genommen haben, generell nicht mehr angeboten werden.
Man kann sagen, dass sich der Eintritt in die Rente generell weiter nach oben verschiebt und Menschen damit länger arbeiten. Was früher in den Fünfzigern möglich war (siehe oben: Ausstieg mit Mitte 50), gibt es in vielen Fällen jetzt erst deutlich nach dem 60. Lebensjahr. Eine abschlagfreie Rente gibt es ab 63 Jahren, sofern 45 Beitragsjahre zur Rentenversicherung vorliegen. Sind die 45 Beitragsjahre nicht erfüllt, so ist es möglich, mit Abschlägen (0,3 % pro Monat vor der regulären Altersgrenze) in den Ruhestand zu wechseln.
Folglich kann man mit Fug und Recht von einer Ü60-Thematik anstelle der Ü50-Diskussion sprechen.
Es ist auch zu beobachten, dass der Anteil der Person im Ruhestandsalter, die noch produktiv im Erwerbsleben stehen, stetig ansteigt.

Die Gründe hierfür sind mannigfaltig:
- Bei einem großen Teil der Personen liegt die Begründung im finanziellen Bereich. Das Ruhegehalt muss aufgestockt werden, um einen gewünschten Lebensstandard zu halten.
- Eine zusätzliche Motivation in der Rente länger zu arbeiten kann sein, dass man sich eine Tagesstruktur geben und auch soziale Kontakte pflegen will. Dass sich dabei ein Zubrot für den Lebensunterhalt ergibt, ist ein positiver Nebeneffekt.
- Schließlich gibt es Fälle, bei denen der Lebensinhalt stark durch den Beruf geprägt war. Ein erfüllter dritter Lebensabschnitt ist dann nur vorstellbar, wenn man seiner „Mission“ weiterhin nachgeht. Finanzielle Aspekte spielen hier meistens keine Rolle.
Warum sollten wir länger arbeiten bis zur Rente?
Generell ist zu sagen, dass man sich am Beginn dieses neuen Lebensabschnittes – dem sog. aktiven Ruhestand – erfüllenden Herausforderungen stellen soll. Dabei Körper, Geist und Seele aktiv anzuregen hilft der allgemeinen Gesunderhaltung.
Mit Interesse ist die weitere Entwicklung in Frankreich zu verfolgen und wie sich die derzeit große kontroverse politische Diskussion weiterentwickelt. Ob sich die Regierung gegen den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften und einem großen Teil der Bevölkerung durchsetzen wird und das Ruhestandsalter von 62 auf 64 anhebt. Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung wäre dies meines Erachtens durchaus ein vertretbarer Schritt.
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